Smartes Hybridsystem für Fahrtenkatamarane
Es gibt für Fahrtenkatamarane Hybridsysteme, die je nach Ausführung über € 100.000 kosten können, viel Platz einnehmen und ein hohes Gewicht haben. Günstigere Systeme gibt es für ca. € 60.000, die mir allerdings zu schwach ausgelegt wären. Also für uns sind solche Systeme für die Zukunft unbefriedigend. Da muss es doch auch noch eine smartere Lösung zum besseren Preis/Leistungsverhältnis geben, Sonst wird das nichts mit der Einsparung der CO2 Emissionen im Yacht-Bereich.
Mit dem Thema des elektrischen Antriebes für Langfahrt-Katamarane beschäftige ich mich ja schon länger, siehe auch unseren Beitrag von unserem letzten Messebesuch: https://welt-ahoi.de/2020/01/25/welcher-katamaran-passt-zu-uns/
Es gibt schon relativ lange erfolgreiche Konzepte für große Performance Katamarane und für Katamarane im Küsteneinsatz, deren Batterien über Nacht geladen werden können. Da die Performance Katamarane beim Segeln locker über 6 kn (10 km/h) Geschwindigkeit erreichen, können sie auch genügend Strom für die Phasen, in denen die Motoren Strom zum Antrieb benötigen, generieren.
Bei Cruising Katamaranen für die Blauwasserreviere sieht es dann schon anders aus. Sie sind aufgrund ihres Gewichts und Konzepts langsamer und fahren auch mal länger durch Flauten-Zonen. In Konsequenz werden bei einer Elektrifizierung von solchen Katamaranen für die Elektromotoren auch mindestens ein Dieselgenerator und eine riesige Batteriebank benötigt. Solarenergie kann man für den Elektroantrieb kaum einplanen, da viele Langfahrer auch gerne etwas mehr Komfort durch eine Vielzahl an Elektrogeräten inklusive einer Waschmaschine wünschen.
Unterm Strich wird bei den aktuellen Konzepten der Hersteller von Marine-Elektromotoren immer neben dem Platz für den zusätzlichen Dieselgenerator auch noch viel Platz für die großen Batteriebänke benötigt. Dadurch wird der Katamaran noch schwerer und langsamer. Mit so einem Konzept kann beim Segeln also zu wenig Energie durch die Rekuperation (Energie-Rückgewinnung) der beiden Elektromotoren gewonnen werden.
Es gibt immer wieder neue Projekte, wie z. B. aktuell mit der elektrifizierten Lucia 40 von Fountaine Pajot in Zusammenarbeit mit Volvo Penta mit zwei ihrer Prototypen Elektromotoren. Aber das Konzept ist wohl noch nicht serienreif.
Wie kann man auf einen zusätzlichen Dieselgenerator verzichten?
Dazu habe ich schon ausführlich in dem volgenden Extrabeitrag berichtet:
All das hat mich zu dem folgenden smarten Hybridsystem für Katamarane inspiriert:
- Ein Dieselmotor für Antrieb und als Generator, der auch Abwärme für den Heißwasserboiler liefert
- Ein Elektromotor für den Antrieb und als Hydrogenerator
- Eine kleinere LiFePO4 Zusatz-Batteriebank, da nur für einen E-Motor benötigt
So ein Konzept wird bei unserem favorisierten Nautitech 40 Open Katamaran besser funktionieren als z. B. bei einer Lagoon 40 oder Fountaine Pajot Lucia 40. Bei diesen Modellen ist nämlich der Propeller aus Designgründen ganz achtern am Heck hinter den Ruderblättern platziert. Bei der Nautitech hingegen werden die Ruder noch durch die Propeller mit Wasser angestrahlt und so kann auch mit dem Motorantrieb nur auf einer Seite einigermaßen geradeaus gefahren werden. Und das wird von den Eignern in der Praxis auch genutzt, um insgesamt Motorstunden zu sparen.
Wir selbst haben das Steuerverhalten mit Antrieb auf nur einer Seite ausführlich Woche auf einer gecharterten Nautitech 40 Open ausprobieren können. Es ist sogar möglich aus dem Stand z. B. nur mit der Steuerbordmaschine zu starten und nachdem etwas Fahrt aufgenommen wurde kann auch nach Steuerbord durch Rudereinstellung gefahren werden. Mit einem 30 PS Moter fährt er bei einer Drehzahl von 2200 ca. 5,5 Kn und mit beiden ca. 6,5 Kn. Bei voll Voraus sind wir mit beiden 30 PS Maschinen auf 8 Kn gekommen.
Also je nach gespeicherter Elektroenergie könnte zukünftig entweder der Elektro- oder Dieselmotor mehr oder weniger eingesetzt werden können. Und wenn beide Motoren benötigt werden, können sie natürlich auch auf die gleiche Propellerdrehzahl eingestellt werden. Wobei die eine Dieselmaschine mindestens 40 PS haben sollte, da bis zu 11 PS für den Antrieb einer 4,8 KW Lichtmaschine abgezogen werden muss.
Vorteile:
- Geplante Dieseleinsparung von bis zu 50 %! Zwar weniger als die Systeme der etablierten Firmen mit zwei Elektromotoren, aber auch wesentlich preisgünstiger, leichter und kompakter und damit auch viel attraktiver.
- Wartung von nur einem Dieselmotor
- Mehr Reichweite als mit zwei Elektromotoren
- Entspricht dem Zeitgeist Energie und CO2 Emissionen zu sparen
- Es gibt auch noch einen zusätzlichen Sicherheitsgewinn! Die modernen LiFePO4 Batterien benötigen zum sicheren Betrieb ein Batteriemanagementsystem (BMS), das aufgrund der vielen elektronischen Bauteile und Sensoren auch störanfällig ist. So kann es vorkommen, dass die Batterie gerade in dem Moment aus thermischen Gründen abschaltet, wenn bei Manövern die volle Kraft benötigt wird. Bei meinem kompakten Hybrid-System würde beim Abschalten der überhitzten 48 V Batteriebank nur die Motorleistung auf einer Seite etwas abnehmen. Der Dieselantrieb hat volle Leistung und der E-Motor wird durch den integrierten Generator noch mit 4,8 kW versorgt.
Mögliche Umsetzung:
- Zusatz-Lichtmaschine 48 VDC/4,8 kW von Balmar oder günstiger von Mahle – MG 1 IA1627
- Hochleistungs-Lichtmaschinenregler von Balmar, Mastervolt oder mit Fernbedienung von Sterling (bei Mastervolt und Sterling ist ein Umbau auf 48 VDC nötig)
- LiFePO4 Batteriebank 48 VDC/15 kWh von Oceanvolt oder diversen anderen Herstellern möglich
- Elektromotor 48 VDC/15 kW z. B. von Oceanvolt, Torqeedo/WaterWorld oder anderen
- Wechselrichter/Ladegerät 48 VDC/230 VAC von Victron Energy
- DC/DC Konverter 48 VDC/12 VDC von Victron Energy
Die Steuerung und Regelung dieses Systems wäre aber auch eine große, bzw. interessante Herausforderung
Fazit:
Ein smartes Hybrid-System, aber leider nicht serienmäßig von einem der etablierten Markenhersteller im Angebot. Damit ließen sich Hybridsysteme auch für Fahrtenkatamarane einigermaßen wirtschaftlich betreiben. Es ist meines Erachtens in Anlehnung an das Mild-Hybrid System der Automobilindustrie ein größerer Schritt aufgrund der möglichen größeren Akzeptanz bei den Kunden. Um eine echte CO2 Reduzierung bei Fahrtenkatamaranen zu erzielen, braucht man smarte Konzepte, die sich auch tatsächlich ein Großteil der Eigner leisten könnte/möchte.
Das smarte Hybridkonzept eignet sich auch hervorragend für die Nachrüstung, wenn eine der zwei Dieselmaschinen ersetzt werden soll. Die alte dient dann automatisch als Ersatzteillieferant für die verbleibende Dieselmaschine.
Optimal wäre es natürlich, wenn sich ein Hersteller von Dieselantrieben und ein Hersteller von Marine Elektromotoren z. B. mit dem Katamaranhersteller Nautitech zusammensetzen würden. Dann könnte so ein smartes System mit ausgereifter Steuerungs- und Regeltechnik serienmäßig angeboten werden.
Ich werde jedenfalls einige der erwähnten Markenhersteller zu diesem Thema nach und nach anschreiben und weiter berichten. Ich bin gespannt, wer sich von den Herstellern für den Ausbau eines wirtschaftlich zu betreibenden 48 VDC Speichersystems auf Yachten weiterentwickelt. Oder hat vielleicht einer der Leser dieses Beitrags Erfahrungen mit einem 48 VDC Energie-Speichersystem oder sogar mit einem solchen smarten Hybrid-System für Katamarane, das im Einsatz ist?
Bei Anregungen bitte melden unter ahoi (at) welt-ahoi.de