Auf zu neuen Ufern
Bevor wir zu neuen Ufern aufbrechen, gibt es kurz vor der Abreise noch eine Menge zu regeln und zu organisieren. Können wir auf der Liste der zu erledigenden Dinge oben etwas streichen, kommt sogleich mindestens ein Punkt hinzu. Vielleicht sollten wir die To-do-Liste umbenennen in „Unendliche Liste der zu erledigenden Dinge“. Ein Punkt kam völlig überraschend hinzu, konnte aber schon nach ca. 30 Minuten wieder gestrichen werden: Unser Auto, mit dem wir die letzten Dinge an Bord gebracht haben und das die Kinder mit zurücknehmen, hatte plötzlich einen Platten. Es hatte sich eine Schraube in den Reifen gebohrt. Flugs wurde das Reserverad montiert und das Problem gelöst.
Den Tag vor der Abreise hatten wir für unsere Söhne und ihre Partnerinnen (im Folgenden „die Kinder“) reserviert. Wir hatten einen wunderschönen Tag und unternahmen sogar eine Hafenrundfahrt mit dem „Dorsch“. Bei Currywurst und Pommes genossen wir von der Veranda im Wassersportverein Wulsdorf (WVW) die Aussicht auf die Vereinsanlage und die Boote. Abends konnten wir sogar noch Freunde begrüßen, die mit ihrem Boot zu unserer Verabschiedung extra in den WVW gekommen sind.
Und dann war er da – der sonnige Sonntag unserer Abreise. Leider hat die Baustelle auf der A 27 (Lesumbrücke) einige Besucher ausgebremst und auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Diese blöde Baustelle hat uns zwei Jahre bei den Fahrten zum Boot behindert und nun an unserem letzten Tag in Bremerhaven wurde die Baustelle abgeräumt und einige Gäste standen im Megastau. Viele Freunde, Bekannte und Kolleginnen und Kollegen hatten es aber pünktlich geschafft. Die Amazone stand im Mittelpunkt, wurde mutig geentert, bewundert und bestaunt. Tolle Geschenke wurden überreicht und viele gute Wünsche begleiten uns auf unserer Reise. Das tut gut und hat uns sehr gefreut!
Der 1. Vorsitzende des Oberweser-Segel-Verein e. V (OSV) hat uns fünf Stander zum Verteilen in fernen Ländern mitgegeben. Zum Abschied haben wir uns fest gedrückt und versucht, nicht zu heulen. Bleib gesund und munter, kleiner Bruder! Noch einmal die Kinder in den Arm nehmen und tapfer sein. Passt auf euch auf, haltet weiterhin schön zusammen. Wir freuen uns auf das Wiedersehen! Dann warfen wir die Leinen los und verließen den Heimathafen. Aber die Amazone zuckelte nicht alleine Richtung Schleuse, sie wurde von einigen Booten begleitet. Neben Booten aus dem WVW und WVWo waren auch drei Boote aus dem OSV dabei, das hat uns sehr gefreut. Auf dem Weg durch den Fischereihafen winkte uns ein Paar vom Ufer aus zu. Wie sich herausstellte, waren es Blogleser der ersten Reise, die sich schon auf neue Geschichten freuen.
Als hätten wir es so bestellt, stand die Schleuse bei unserer Ankunft offen und unter lautem Hupen der Begleitboote schlossen sich die Tore hinter uns. Schluck. Das war auch ein sehr emotionaler Moment! Von der Mole aus winkten uns die Kinder und viele Freunde und Bekannte zu und so verließen wir Bremerhaven für unbestimmte Zeit. Als wir aus dem Hafen fuhren, erwartete uns die „Tomma“ mit ihrer Crew auf der Weser. Wie schön, hier noch einmal verabschiedet zu werden!
Wir bedanken uns von Herzen bei allen die mit ihrem Besuch, Geschenken, der Begleitung mit dem Boot und Grüßen per E-Mail oder Whatsapp dazu beigetragen haben, dass dieser Tag so wunderschön und unvergesslich für uns wurde!
Was für ein Gefühls-Chaos! Der Moment, auf den wir im Prinzip seit unserer Rückkehr 2015 hin gefiebert und hin gearbeitet hatten, war endlich da! Maximale Freiheit bedeutet auch maximale Unsicherheit, für alles selbst verantwortlich zu sein und auf vieles verzichten zu müssen. Alles hat eben seinen Preis. Der Abschied von meinem kleinen Bruder und den Kindern fiel mir besonders schwer. Wenn die Sehnsucht unterwegs besonders groß und das Herz schwer wird, können wir skypen. Das hilft.
Ingo hat dann noch einmal die Wind- und Wettervorhersage angeschaut. Das sah nicht sehr vielversprechend aus. Für den nächsten Tag waren perfekte Bedingungen vorhergesagt. „Nur ein geduldiger Kapitän hat immer gutes Wetter.“ Also beschlossen wir geduldig zu sein und noch für eine Nacht im Neuen Hafen in Bremerhaven festzumachen. So konnten wir den Rest dieses doch anstrengenden Tages mit Freunden verbringen und am nächsten Morgen früh um 6 Uhr aus dem Neuen Hafen ausschleusen und nach Helgoland segeln. Und das war ein sehr schöner Törn! Bei nordöstlichen Winden um 4 bis 5 Beaufort, herrlichem Sonnenschein und kaum Seegang preschte die Amazone unter Vollzeug los und alle Beteiligten hatten Spaß.
Heute hat es sich merklich abgekühlt, die Sonne lässt sich nicht blicken und es regnet. Zeit, auszuspannen, runter zu kommen und die nächsten Etappen zu planen.