Nautitech 40 Open Charter
Nachdem wir im letzten Jahr in La Rochelle die Gelegenheit hatten, ein kurzes Probesegeln mit einer Nautitech 40 Open mit einem erfahrenen Skipper zu unternehmen, wollten wir nun gerne genau so einen Katamaran chartern. Also recherchierten wir, wo dies ohne eine lange Anreise in den Sommerferien möglich wäre. Zu dem Zeitpunkt, im Januar 2020, war Corona noch weit weg. Wir fanden die Firma „Enjoy Sailing“ in Lemmer am Ijsselmeer. Das Boot war noch frei, die Kinder hatten Lust und Zeit mitzukommen, also wurde der Katamaran für vier Tage gebucht und angezahlt. Im Laufe der Zeit spielte Corona dann eine immer größere Rolle und das Unterfangen stand auf der Kippe. Wir entschieden uns, das Risiko einzugehen und nicht zu stornieren. Das war die richtige Entscheidung, Glück gehabt. Die Niederlande sind nicht als Risikogebiet eingestuft worden und der Umgang mit den Corona-Regeln wurde typisch holländisch lässig und unaufgeregt gehandhabt. Eine weitere große Unbekannte war wie immer das Wetter. Aber was soll ich sagen – besser hätte es tatsächlich nicht sein können! Sonnenschein von früh bis spät, leichter Wind von 10 bis 15 Knoten und eine Wassertemperatur von 23 Grad. Zu unserer Familiencrew ist noch Klaus dazugestoßen, den wir 2015 auf unserer Atlantikrunde in Antigua kennengelernt haben. Der Heimathafen seiner Hallberg-Rassy ist Lemmer und seit mehreren Jahrzehnten ist Klaus auf dem Ijsselmeer und umzu unterwegs. Da fügte es sich prima, einen Freund und Lotsen mit an Bord zu haben.
Die Nautitech 40 Open Charterversion hat vier Doppelkabinen und zwei Einzelkojen, so dass wir mit sechs Personen sehr viel Platz hatten. Die Übernahme des Bootes gestaltete sich allerdings etwas holprig, da es sehr unsauber war und einige Kleinigkeiten kaputt waren, die erst nach unserer Beanstandung repariert wurden. Wenige Stunden zuvor hatten wir in Sneek bei Jansma Jacht BV eine seit kurzem zu charternde Eignerversion der Nautitech 40 besichtigen können. Dieses Boot kam gerade von einem längeren Törn zurück und war noch nicht geputzt. Ganz ehrlich – es war sauberer, als das „gereinigte“ Boot in Lemmer. Es wurde also nachgeputzt und die eine oder andere Reparatur durchgeführt, dann konnten wir einziehen. Um es kurz zu machen: Das Boot hat uns voll überzeugt, die Charterfirma leider nicht. Es hat keine Übergabe stattgefunden mit der Begründung, dass das viel zu lange dauern würde und wir uns sowieso nicht alles merken könnten und dann morgen erneut nachfragen würden. Aha. Ingo hatte ein kostenpflichtiges dreistündiges Skippertraining dazu gebucht, so dass wir am nächsten Tag in die Besonderheiten eines Katamarans eingewiesen wurden und auch die Segel setzten. Es gab einige wertvolle Tipps und mit diesem Wissen machten wir uns auf zu unserem ersten Schleusenmanöver.
Hat alles gut geklappt, anschließend wurden die Segel gesetzt und nach einem zweiten Schleusenmanöver bei Enkhuizen erreichten wir am späten Nachmittag Hoorn. Am Mittwoch ging es zurück und erneut durch die Schleuse bei Enkhuizen. Am Donnerstag segelten wir zurück nach Lemmer und warfen in der Bucht Grote Brekken den Anker. Am Freitag Vormittag gingen wir Anker auf und Ingo legte kurze Zeit später rückwärts in einer engen Kurve in der Box an. Puh, das war ungewohnt und zum Glück war es fast windstill. Bei Wind von der Seite bietet der Katamaran eine enorme Angriffsfläche, gleich einer ausgerollten Genua. Dann noch der fehlende Kiel, da muss der Rudergänger beherzt mit den beiden Maschinen steuern. Als Neuling eine absolute Herausforderung. Unter Segeln konnte die Nautitech wegen des schwachen Windes nicht wirklich zeigen was in ihr steckt. Aber die ungewohnten Handgriffe und Manöver waren bei diesen moderaten Bedingungen sehr gut durchzuführen.
Das Ijsselmeer mit seinen hübschen Städtchen und herrlichen Ankermöglichkeiten ist ein tolles, geschütztes Revier, gerade für uns Katamaran-Ausprobierer perfekt. Leider war der Katamaran mit einem nur für drei Personen zugelassenen Dinghi und mit einem schwachen 480 W Elektromotor ausgestattet, der nicht wirklich gut funktionierte, so dass wir uns einmal abschleppen lassen mussten und leider keine längeren Ausflüge unternehmen konnten. Rudern ging leider auch nicht, da die Dollen fehlten und es nur ein Paddel gab. Der lustige Mitarbeiter von Enjoy Sailing hatte uns vor dem Ablegen schon erzählt, dass „die Leute nicht viel mit dem Schlauchboot fahren, weil es so langsam fährt und keinen Spaß macht. Aber einen Benzin-Außenborder zu warten wäre zu aufwändig.“ Kundenorientierung sieht deutlich anders aus.
Wir hatten aber trotzdem eine wunderbare Zeit und sind gut erholt nach Bremen zurückgekehrt.
Das Cockpit ist geräumig, die Stimmung ist gut.
Da wir nicht in Seenot geraten sind, konnten wir am letzten Abend unsere mitgebrachte Rettungsinsel ausprobieren. Die Wartung wäre schon 2016 fällig gewesen, aber für die nächste Reise schaffen wir lieber eine neue an. Erfreulicherweise hat die Rettungsinsel einwandfrei funktioniert. Für vier Personen ist der Platz allerdings knapp bemessen. Im Ernstfall bei Seegang, Dunkelheit, Kälte und Überlebensangst äußerst ungemütlich.
Zur Technik
Wir haben die zwei Jahre alte Nautitech 40 Open bei der Gelegenheit auch gründlich untersucht und bis auf elektronische Probleme keine gravierenden Mängel gefunden.
Vorweg, die elektronischen Probleme wären für die Nautitech ein absolutes Ausschlusskriterium gewesen, wenn es nicht eine Not-Schaltbox gegeben hätte. Damit sind bei Ausfall der Elektronik zumindest die Bilgepumpen und die Navigationslichter zu aktivieren. Und einen Ausfall der Elektronik hatten wir in den vier Tagen mehrfach.
An ersten Abend wollte ich nur das Display etwas dimmen. Dazu wird die Power-Taste üblicherweise kurz gedrückt. Nur leider erschien das entsprechende Untermenü nach mehrmaligen Versuchen nicht. Also am besten neu starten und das Gerät durch langanhaltendes Drücken der Power-Taste herunterfahren und abschalten.
Es fuhr herunter und im Anschluss gleich wieder hoch. Es erschien die Aufforderung einer Quittierung, nur leider funktionierte der Touchscreen nicht für die angeforderte Quittierung. Nach einiger Zeit gab es mehrere Pieptöne und das Gerät fuhr wieder herunter um erneut zu starten. Nach dem vierten Hochfahren funktionierte der Touchscreen zum Glück und nach der Quittierung lief die Elektronik wieder und ich war in der Lage die Dimmer -Funktion aufzurufen.
Also ausschalten konnte ich die Elektronik nicht, dafür hat sie es in den kommenden zwei Tagen von selbst getan. Wir hatten Ostwind und lagen vor Anker. Die aufgehende Sonne hat anscheinend die Verkleidung so erhitzt, dass sich das integrierte Steuergerät jeweils gegen 8:00 Uhr von selbst abgeschaltet hat. Wir haben es etwas gekühlt (Sonnenschutz durch ein leichtes Handtuch, Luftzug durch Öffnen einer Luke) und nach etwa einer halben Stunde ist es dann wieder komplett hochgefahren. Zwischendurch gab es vergebliche Versuche hochzufahren. Es erschien leider nur kurz das B&G Zeichen, bevor der Monitor wieder schwarz wurde.
Updates wollte das Zentrale System und der Plotter am Steuerstand auch, aber der Mitarbeiter von Enjoy Sailing war froh, dass ich es nicht gemacht habe. Es gab in der Vergangenheit mit den Updates immer Schwierigkeiten und viele Einstellungen mussten danach von ihm geändert werden…
Und sonst gab es noch ein paar defekte Kleinigkeiten:
- Verschlüsse der hinteren Fensterluken abgebrochen
- Kleiner Schnappverschluss gebrochen
- Wasserhahn im Backbord Bad defekt
- Türscharnier mit gebrochener Feder
- Abgebrochener Verschluss an einer vorderen Backskiste
- Elektrozündung des Backofens defekt
- B&G Autopilotbediengerät defekt, aber der Autopilot konnte über den Steuerbord Plotter bedient werden
- Rollanlage des Code Zero sehr hakelig
- Wasser in den Motorbilgen und rostige Lichtmaschinen durch undichte Lukendeckel