Das Dessert des Lebens

Als ich den letzten Beitrag hier geschrieben habe, hatte der Frühling Einzug gehalten, und das Jahr lag noch vor uns. Inzwischen ist es Dezember geworden, und das Jahr neigt sich dem Ende zu. Höchste Zeit, dass ich mich mal wieder melde. Nach wie vor gibt es sehr vieles in Bremen zu regeln bzw. zu erledigen. Nicht immer läuft es so glatt, wie wir es gerne hätten. Wir sind also in Bremen beschäftigt, kommen ganz gut voran, aber eben nicht so schnell, wie wir gehofft hatten. Nur hin und wieder können wir die Thalassa besuchen, uns um sie kümmern und uns auch erholen.

Im Juli konnten wir das nächste Mal an Bord sein. Die Marina Las Palmas auf Gran Canaria wollte unseren Aufenthalt leider nicht verlängern. Wie in jedem Jahr warf auch diesmal wieder die ARC, die Atlantic Rally for Cruisers, ihren sehr langen Schatten voraus. Sehr pünktlich begann man in der Marina, die für die Regattateilnehmer reservierten Plätze freizumachen. Die ARC startet Ende November, und für uns war es nicht möglich, bereits im August als Nicht-ARC-Teilnehmer eine Verlängerung des Marinaaufenthaltes zu bekommen. Nach einiger Recherche reservierten wir schließlich einen Liegeplatz auf Lanzarote. In der Marina Rubicon, wo wir 2022 die Thalassa übernommen und uns von der Amazone getrennt hatten, buchten wir für sechs Monate bis Ende Januar 2025 einen Platz. Das wunderschöne Ambiente der Marina wird die Thalassa allerdings leider meistens ohne uns genießen.

So verließen wir also Gran Canaria mit Ziel Lanzarote. Die Wind- und Wettervorhersage für unseren Törn war günstig. Zunächst mit frischem Wind hinüber nach Fuerteventura segeln, und dann gegen schwachen Nordwind bei wenig Welle weiter Richtung Norden nach Lanzarote fahren, so der Plan. Kurz nach Sonnenaufgang lösten wir also unsere Leinen in Las Palmas. Es war ein herrlicher Törn! Endlich wieder unterwegs zu sein, tat uns gut. Mit frischem Nordostwind ging es im ersten Reff flott durch das extra blaue Atlantikwasser. Das machte Lust auf mehr!

Wir verbrachten eine ruhige Nacht im Süden Fuerteventuras bei Morrojable vor Anker. Am nächsten Morgen kletterte die Sonne über den Horizont, die ersten Frühaufsteher spazierten am Strand entlang, und wir lichteten den Anker, um weiter Richtung Norden zu dampfen. Wir ließen uns das Frühstück schmecken, die Berge Fuerteventuras zogen an Backbord an uns vorüber, und wir waren mit uns und der Welt zufrieden. Die Bedingungen waren wie vorhergesagt. Wenig Welle und leichter Gegenwind, besser bekommen wir es hier nur sehr selten. Denn meistens weht hier ein kräftiger Wind aus nördlichen Richtungen mit entsprechend unangenehmem Seegang.

Am frühen Abend erreichten wir den nächsten Ankerplatz. Vor der kleinen, zu Fuerteventura gehörenden Insel Lobos, fanden wir ein idyllisches Plätzchen. Leider nur so lange idyllisch, bis am nächsten Morgen die ersten Ausflugsboote eintrafen. Im Minutentakt kurvten große und kleine Ausflugsboote von der nahen Hauptinsel kommend an uns vorbei, um den einzigen Anleger anzusteuern. Nicht ganz unerwartet, aber es tatsächlich zu erleben ist eben doch anders, als darüber zu lesen. Nun ja, wir waren froh, als der Spuk gegen 18.00 Uhr vorbei war und die letzten Tagesgäste zurück nach Fuerteventura gebracht wurden.

Im Laufe des Tages hatten weitere Segelboote die Bucht angelaufen. Wie wir am nächsten Morgen beim Losfahren feststellten, war auch ein Bremer Boot dabei! Ein Segelkamerad aus dem Wassersportverein Wulsdorf mit seiner Najad „Ilayda“ tummelte sich wie wir hier auf den Kanaren. Ein kurzer Plausch von Boot zu Boot, das war nett. Die „Ilayda“ will sich alsbald auf den Rückweg an die Weser machen. Farewell, fair winds and following waves!

Nach einer weiteren Nacht vor Anker beim Papagayobeach im Süden Lanzarotes liefen wir pünktlich am 1. August 2024 in der Marina Rubicon ein. Es verblieben uns noch ein paar Tage bis zum Rückflug nach Bremen, dann hieß es wieder Abschiednehmen – Thalassa mach’s gut, pass auf dich auf!

Wir konnten dann noch zweimal zur Thalassa nach Lanzarote kommen. Das Boot war bei unserer Rückkehr glücklicherweise unversehrt, aber erwartungsgemäß sehr schmutzig. Der rote Staub aus den Bergen und der von Afrika kommende Saharastaub bedeckten die Thalassa. Boot abspülen, Edelstahl putzen, ums Dinghy und den Außenborder kümmern und vieles mehr, da kam keine Langeweile auf. Bei Temperaturen von 25 Grad und strahlendem Sonnenschein waren wir aber fröhlich und emsig bei der Arbeit. Das Ergebnis ließ sich sehen, fein herausgeputzt sah die Dame super aus! Ein paar Tage später bekamen wir Besuch von unserer Schwiegertochter mit unserem Enkel. Hei, da kam Leben ins Boot! Mit 15 Monaten war der kleine Kerl schon sehr mobil, sehr entdeckungsfreudig, aber wenig risikobewusst. Drei Erwachsene kümmerten sich also in jeder Sekunde darum, dass der Kleine nicht die Stufen in den Salon und erst recht nicht die Treppen vom Salon in die Rümpfe hinunterstürzt. Was möglich war, wurde mit Koffern oder Kinderwagenoberteil abgesperrt. Für jedes Schläfchen, das er tagsüber einlegte, waren wir wirklich dankbar! Täglich machten wir ein Schwimmwestentraining. Jeweils für wenige Minuten bekam er die nagelneue 10 bis 20 Kilo Kinderschwimmweste angelegt, und es folgte ein Rundgang an Opas Hand an Deck. Das Training wurde mit positiven Eindrücken abgeschlossen, also nicht erst warten, bis der Kleine sich die Weste über den Kopf zerren will. Die Zeit verging mal wieder viel zu schnell, und schon hieß es wieder Abschiednehmen. Adios Thalassa, hasta luego!

Ingo mit Enkel am Aussichtspunkt Mirador del Rio – im Norden Lanzarotes, Blick auf die Nachbarinsel La Graciosa

Bei unserem nächsten Aufenthalt an Bord kam unser Sohn mit unserem Enkel zu Besuch. Es wurde wieder wuselig, aber wir alle genossen die gemeinsame Zeit und natürlich auch den Sonnenschein sehr.

Fische füttern bei Oma und Opa an Bord, durch die geöffnete Bodenluke in der Kombüse.

Ruckzuck ging es wieder auf die Heimreise. Die Thalassa muss nun wieder bis Februar 2025 allein zurechtkommen. Sie ist ein tapferes Mädchen, und die Nachbarn haben auch ein Auge auf sie.

Marina Rubicon bei Nacht

Mit dem Pläneschmieden halten wir uns inzwischen zurück. Wir hoffen, gesund zu bleiben und so bald wie möglich auf Dauer an Bord der Thalassa zurückkehren und die Reise fortsetzen zu können. Wann das sein wird? Keine Ahnung, vielleicht Ende 2025. Bis dahin haben wir aber zu den nicht so angenehmen Aufgaben, die erledigt werden wollen, seit kurzem eine bereichernde, sehr schöne und auch verantwortungsvolle Aufgabe: Wir haben vorerst die Tagesbetreuung für unseren Enkel übernommen! Mama und Papa sind berufstätig, haben keinen Krippenplatz bekommen, mit der Tagesmutter hat es nicht geklappt und so kamen Ingo und ich ins Spiel. Wir haben natürlich nicht nein gesagt. So ist nun der Wecker in unser Leben zurückgekehrt. Wir verbringen die halben Tage auf Spielplätzen, in Spielkreisen oder beim Kinderturnen. Königin Silvia von Schweden soll einst in einem Interview gesagt haben, „Enkelkinder sind das Dessert des Lebens.“ Treffender Vergleich, wir genießen das Dessert. Das Lachen des Kleinen, wenn er uns morgens begrüßt, die Freude, seine Entwicklung so begleiten zu können, macht uns einfach glücklich.

Wir hoffen, dass auch ihr glücklich seid und falls nicht, dass sich bald alles zum Guten wendet!

Wir wünschen allen Lesern frohe Weihnachten und einen guten Start in ein schönes neues Jahr!

In Spanien trägt der Weihnachtsmann Sonnenbrille, kurze Hose und Sandalen.